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AROHA Maori – Geschichten aus dem Jadeland
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Beschreibung: Geschichten aus Aotearoa
Zwei Anthologien mit Erzählungen der Maori
Es waren die europäischen Missionare und Einwanderer, die den Ureinwohnern Neuseelands Schreiben und Lesen beibrachten. Bis weit ins 20. Jahrhundert gaben die Maori ihre Geschichten und Mythen vor allem mündlich weiter. Dass es seit 1815 eine geschriebene Form des Maori gibt, ist eine Folge der Christianisierung und ethnologischer Forschung. Anderseits untersagten die Kolonialherren 1867 die Verwendung des Maori in der Öffentlichkeit. Der schriftliche Gebrauch war davon nicht betroffen, auch Maori-Zeitungen konnten weiterhin erscheinen, sie hielten sich bis in die dreissiger Jahre. Aber die ausschliessliche Verwendung des Englischen an den Schulen führte dazu, dass vor dreissig Jahren bloss noch 2 Prozent der Kinder mit Maori als ihrer ersten Sprache aufwuchsen. Dann wendete sich das Blatt: der zweisprachige Schulunterricht wurde eingeführt und 1986 machte ein Parlamentsbeschluss das Maori neben dem Englischen zur zweiten offiziellen Sprache Neuseelands.
Die orale Tradition wird weiterhin bei Stammeszusammenkünften gepflegt, die Gattungen umfassen genealogische Rezitale (whakapapa), gesungene Dichtung (waiata), Erzählungen (whaikorero), Fürbitten und Beschwörungen (karakia), Sprüche (whakatauki). Bereits im 19. Jahrhundert erkannten die Maori, dass ihre tradierten Geschichten eine bessere Chance hatten zu überdauern, wenn sie schriftlich festgehalten wurden. Es entstanden Schriftkonvolute, die in vielen Fällen mit Tabu belegt waren und die nicht selten beim Tod ihrer Verfasser mit beerdigt wurden. Solche «internen» Dokumente unterscheiden sich meist wesentlich von jenen Schriften, die Maori im Auftrag von Pakeha (Weissen) verfassten, Ethnologen meist, oder die sie sonstwie mit Blick auf weisse Leser anfertigten.
In jüngerer Vergangenheit ist eine Maori-Literatur in englischer Sprache entstanden. In den siebziger Jahren setzte unter den Maori eine politische Bewusstwerdung ein, man sprach von der «Maori-Renaissance». Ein Ausdruck davon ist der Roman «Unter dem Tagmond» (1983), in dem die Pakeha Keri Hulme den Konflikt zwischen Maori und Weissen und die Hoffnung auf eine Aussöhnung darstellt. Eine rabenschwarze Sicht der Maori und ihrer Position in einer weissen Gesellschaft vermittelt der Maori Alan Duff im Roman «Once Were Warriors» (1990), dessen Verfilmung auch hierzulande zwiespältig aufgenommen wurde.
Einer der bekanntesten Maori-Autoren ist Witi Ihimaera (*1944). Unter dem Titel «Aroha. Maori-Geschichten aus dem Jadeland» liegt jetzt ein Querschnitt durch sein erzählerisches Schaffen vor. Wie andere Autoren reichert Ihimaera das Englische mit Maori-Wörtern an, die zum Erfahrungshorizont eines Maori gehören und für die es keine englischen Entsprechungen gibt. So meint aroha neben Liebe auch Güte und Fürsorge, hongi bezeichnet die Berührung der Nasen bei einer Begrüssung, und marae wird der offene Platz vor dem Stammeshaus genannt, der für Versammlungen von grosser Bedeutung ist. Ob eine Frau ihren Kindern die Geschichte der Grossmutter erzählt, ob ein Bursche einem alten Mann bei dessen Ahnenforschung behilflich ist, ob eine Familie vom Land in die Stadt übersiedelt: Ihimaeras Geschichten kreisen um die Familie oder den Stamm, um Selbstvergewisserung durch das Bewusstsein des Herkommens, um die Wertschätzung der Natur. Armut, Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Gewalt werden dabei nicht ausgeblendet. Ihimaeras Erzählweise ist schlicht und geradlinig, seine Geschichten sind schnörkellos realistisch. Dieser schlichte Stil erklärt sich vielleicht auch daraus, dass das mündliche Erzählen bei den Maori lebendig geblieben ist und die Literatur erst am Beginn ihrer Ausformung zu einer künstlerischen Erzählform steht.
In ebenso hübscher Ausstattung präsentiert die Edition Isele die Kurzgeschichtensammlung «Tangata, Tangata» mit Texten verschiedener Maori-Autoren. So unterschiedlich diese Geschichten thematisch sind, es verbindet auch sie eine solid realistische Erzählweise. In Katie Andersons «Schattenmenschen» wird der Einbruch des Irrationalen in den Alltag einer Schule mit einfachsten erzählerischen Mitteln geschildert. «Mein erster Kunde» ist der Monolog einer arbeitslosen Mutter, die als Prostituierte Geld verdient. Eines kecken Stils bedient sich Lindsay Charman-Love in «Die Schwanzflosse von Old Denny», wo zwei Knaben aufschneiderisch und mit dem Schreck in den Knochen von ihrer Begegnung mit einem riesigen Hai berichten. In diesen Geschichten ist keine Befangenheit erkennbar, auch kein Bedürfnis, die Maori-Identität herauszustreichen. Frei von Exotismus oder Selbststilisierung schildern die Autorinnen und Autoren den Lebensalltag der Maori in einer Welt, die nicht mehr die ihre ist.
Georg Sütterlin
Gebundene Ausgabe - Edition Isele
Erscheinungsdatum: September 1998
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